c. FreudeLieben, Leben, SterbenHoch über dem rastlosen Treiben des Daseinssitzt c. Freude. Unerbittlich registriert er, wo Existenzenstraucheln: Nüchtern kriecht er in sterbende Gliedereiner Obdachlosen,haucht ihren letzten Atem und schreit ihren Namen: Sabine. Imnächsten Atemzugsaugt erklammheimlich den Duft einer liebreizenden Unbekannten ein, erliegt betäubendenVerlockungenund versinkt im ungewollten Taumel der Gelüste, …Spielerisch knüpft c. Freude mit seinen Erzählungen ein Fangnetz über die alltäglichen Abgründe zwischen Lieben, Lebenund Sterben, taucht mit wachsamem Auge und regem Geist ein in den Schlund, in dem die Menschheit untergeht: Er prescht von Moment zu Moment, ist stillerBeobachter und heimlicherMitspieler in all den kleinen großen Dramen, die das Leben so gern launigfeilhält.Dabei sind all die Geschichten keine empathielosen Luftschlösser, die er baut, keine aus der Luft gegriffenen Gespinste, sondern aus seinem eigenen erlebten Leben geformte Eindrücke. Eindrücke, die auch c. Freude selbst bei der Findung seines Ichs geprägthaben. So gerät er letztlich
zur Struktur seines eigenen Bewusstseinsund schafft in seiner eigenen Unrast Besonnenheit. Im Mittelpunkt seiner Erfahrungstehen stets Existenzen, die gegenwärtig ein schweres Los gezogen haben, sie verenden zwangsläufig inihrem unausweichlichen Alptraum. Dabeibeschreibt c. Freude dies mit einer kühlen Distanz eines Passanten, der nur selten von der Beseelung selbst ergriffen wirdoder sich in seinen Figuren verliert: Gerade dieser Stil, das Zurückgenommene gegenüber dem Unerhörten, macht seine Welt so unergründlich –auch, weil der gelebte Raum stets vor KlimaxundKollaps abgebrochen wird. c. Freude erklärt mit seinen Schilderungen nicht die Welt, löst ihre Beschwernisse nicht –aber: Er macht ihre Facetten erlebbar. Wie auch die literarische Moderne zeichnet sich c. Freude durch eine fragmentierte Weltsicht und Subjektivität aus: Die Welt befindet sich zeitlebensim Irrsinn einer Sinnkrise, über ihre Bruchstücke strauchelt derMensch in den Momenten seines Bestehens, verliert sich im Malstrom seiner Bewusstseinsströme. Als sensibler Feingeist eskaliert c. Freude gerade in den Zwischentönen, die ganz im Gegenteilzu den erlebten Wirren angepasst, ja fröhlich wirken–von irgendwoher schimmertletztlich doch ein Licht am Ende des Tunnels.In einemüberdistanzierten Nebellässt c. Freude nun auch dieallein, die seiner Narration gefolgt sind:Wie auch die Welt selbst keine helfende Hand reicht, reicht auch er keine Orientierung, keine Erklärungenund kein erlösendes Ende–schafft so ein Leidensgefühl, das gleichermaßen greifbar wie innig ist, und liefert als vifer Moritatensänger mit seinen eindringlichen Milieuschilderungen neben seinen Figuren letztlich auch den Hörer demSchicksal als einzige, namenlose Obrigkeit aus.Am Schluss bleibt nur noch: die unausweichliche Selbstentfremdung im leeren Raum–und mit seinen Musikstücken präsentiert c. Freude hierfür ein treffliches Ventil.