SAEDI – solo
Tania Saedi ist einen weiten Weg gegangen. Elf Jahre liegen zwischen ihrem ersten
Solo Exhale, das im Frühjahr 2011 erschienen ist, und dem neuen Album Token.
Eine kleine Ewigkeit, länger als viele Beziehungen halten oder die Beatles zusammen
spielten. In der Zwischenzeit ist ein bisschen Leben passiert, erzählt die Sängerin
und Songschreiberin. Und natürlich auch Musik. Aber abgesehen von intimen Solokonzerten
am Piano nicht unter ihrem Namen, sondern Kollaborationen und Tourneen
mit Bands wie !DelaDap oder Budapest Bár.
Ihr persönliches Ding braucht viel Zeit und muss langsam reifen. Die als Tochter eines
Iraners und einer Österreicherin aufgewachsene Wienerin hat gelernt, dass sie
nur nach ihrem eigenen Takt leben und arbeiten kann. Sie ist Musikerin mit Leib und
Seele („Singen ist für mich etwas Lebenswegweisendes“), mit dem Stress des dazugehörigen
Business kann sie umso weniger anfangen. Ständig präsent sein, um sich
einen Namen zu machen? Für SAEDI eine schreckliche Vorstellung.
„Ich muss nicht immer in der Auslage stehen“, sagt sie. „Und manchmal habe ich
meine Probleme mit der Fülle und Akustik der Welt. Sie ist mir zu laut, zu schnell.
“ Die nötige Zeit für den kreativen Prozess nimmt sie sich: „Ich versuche mit dem
Flow zu gehen und nicht dagegen zu arbeiten, darum kenne ich auch keine Schreibblockaden.
Manchmal musst du halt einfach warten.“
Jetzt ist für sie der Moment gekommen, um wieder nach vorn zu treten und das in
den letzten vier Jahren entstandene Material zu präsentieren. War ihr Debüt eine reine
Studioarbeit, die zusammen mit Markus Kienzl (Sofa Surfers) entstand, so verspürte
SAEDI diesmal umso größere Lust auf echte Instrumente. Sie wollte wieder
mit Musikern zusammen im Proberaum stehen. Lebendig sollten die Songs klingen,
intim, kraftvoll und eine Nähe zwischen der Sängerin und den Zuhörern herstellen.
Das ist aufs Schönste geglückt.
Jeder der neun Songs erzählt eine Geschichte und hat eine spezielle Dramaturgie.
Alle eint, dass sie berühren und bisweilen aufwühlen. Es geht SAEDI um eine Intensität,
die Popmusik heute nur noch selten transportiert. Sie sagt: „Das Leichte am
Pop interessiert mich nicht. Ich beschäftige mich in meinen Texten gern mit Dingen,
die andere lieber auslassen. Schreiben ist ein Ventil für mich, seit ich 11 bin. So kann
ich meinen Shit verarbeiten und mich selbst finden.“ Nachsatz: „In den fertigen
Songs geht es dann nicht mehr um mich, es sollen sich auch andere drin erkennen
können.“
Musikalisch schöpft sie auf Token aus ganz verschiedenen Quellen. Jazz und Soul
gehören dazu, auch klassische Musik. Bon Iver und Agnes Obel haben sie in den
letzten Jahren beeindruckt, aber auch zu Fleetwod Mac oder ihrem großen Lieblings
Tom Waits kehrt sie immer wieder zurück. Doch SAEDI will nicht klingen wie jemand,
den es schon gibt. Sie hat für Token ihren eigenen Sound gesucht und gefunden.
Alexander Nefzger fungierte dabei als kreativer Widerpart.
Das Ergebnis sollte auf keinen Fall perfekt und aalglatt klingen, sondern – wie ein
Mensch – verschiedene Seiten sowie Kanten aufweisen. Dieser Facettenreichtum
findet sich in der Musik. Manche Songs, etwa der Opener „Simone“ oder das beseelte
„The Bridge“ beeindrucken mit ihrer Fülle an Instrumenten, Stimmen, Sounds. Andere
Stücke sind reduzierter. Und es ist keineswegs ein Gegensatz, dass der ruhigste
Song „Sensation“ zu den intensivsten zählt.
Ein weiterer Höhepunkt ist „Bad Shape“, das nur mit Piano beginnt und sich plötzlich
überraschend zu einem kraftvollen Oriental-Groove aufbäumt. In „Right Side“ kann
die Sängerin dann ihre tiefgründige und spürbar gereifte Stimme spielen lassen. Aber
auch hier geht es ihr nicht um eine Show, sondern um pure Emotion.
SAEDI hat einen weiten Weg zurückgelegt. Nun klingt sie, als wäre sie bei sich angekommen.
Sebastian Fasthuber